Ãber Schriftsteller by Stefan Zweig
Autor:Stefan Zweig
Die sprache: deu
Format: epub
2. Kapitel
Daà der Verfasser der »Essais« sein Buch mit dem stolzen Autorennamen Michel Sieur de Montaigne zeichnen kann und ein adliges Wappen führen, hat ursprünglich die bescheidene Summe von neunhundert Franken gekostet. Denn ehe sein UrgroÃvater am 10. Oktober 1477 von den Erzbischöfen von Bordeaux das Schloà Montaigne um diese Summe kauft und ehe dann dessen Enkel, Montaignes Vater, dazu die Erlaubnis erwirkt, den Namen dieses Landsitzes seinem eigenen Namen als Adelstitel beizufügen, hieÃen Michaels Ahnen höchst simpel und bürgerlich Eyquem. Erst Michael Montaigne, der dank seiner klugen und skeptischen Weltkenntnis weiÃ, wie vorteilhaft es ist, in dieser Welt einen wohlklingenden Namen zu führen, »einen schönen Namen zu haben, der sich bequem aussprechen und behalten läÃt«, radiert nach dem Tode seines Vaters aus allen Pergamenten und Urkunden den früheren Familiennamen aus. Nur diesem Umstand ist es zuzuschreiben, daà wir in der Geschichte der Weltliteratur den Verfasser der »Essais« im Alphabet nicht unter dem Buchstaben »E« als Michael Eyquem aufzublättern haben, sondern unter »M« als Michel de Montaigne.
Der Name der Familie Eyquem hat in Bordeaux seit Jahrhunderten einen guten Klang nach Silber und Gold, freilich nebenbei auch einen leichten Geruch von geräucherten Fischen. Woher diese Eyquems ursprünglich nach Bordeaux gekommen sind, ob aus England, wo Montaigne â in Sachen seiner Ahnenschaft immer wenig zuverlässig â behauptet, »alte vetterliche Beziehungen zu einem bekannten groÃen Hause« entdeckt zu haben, oder bloà aus der Umgebung der Stadt, das hat die gelehrte Ahnenforschung bisher noch nicht ergründet. Nachweisbar ist nur, daà die Eyquems jahrzehntelang im Hafenviertel de la Rousselle ihre Kontore gehabt haben, von denen sie geräucherte Fische, Wein und andere Artikel höchst kleinbürgerlich als Makler verfrachteten. Der erste Aufstieg aus Fischhandel und Kramerei beginnt mit Ramon Eyquem, Montaignes UrgroÃvater, der, 1402 zu Blanquefort in Medoc geboren, sich schon als Reeder betätigt und durch seine vorsichtige Klugheit sowie durch die Heirat mit der reichsten Erbin von Bordeaux den Grundstock zu dem Familienvermögen legt. In seinem fünfundsiebzigsten Jahre macht dieser Ramon Eyquem seine klügste Akquisition, indem er die »maison noble«, das Schloà Montaigne, von dem Lehnsherrn, dem Erzbischof von Bordeaux, erwirbt. Diese Ãbernahme des Adelsschlosses durch einen simplen Bürger wird der Sitte der Zeit gemäà zu einem feierlichen Akt. Allein schreitet der greise Kaufmann in das verlassene SchloÃ, durch das groÃe Tor, das hinter ihm mit Riegeln verschlossen wird, bis der Diener, die Pächter, die Farmleute und Siedler dem neuen Herrn Eid und Huldigung dargebracht haben. Sein Sohn Grimon Eyquem, bescheidener gesinnt, ruht bloà auf dem väterlichen Erbe aus. Er vergröÃert das Vermögen, läÃt aber das alte Schloà in halbverfallenem Zustande, ohne sich weiter darum zu bekümmern. Erst der Enkel Ramon Eyquems, der Vater Montaignes, Pierre Eyquem, vollzieht den entscheidenden Ãbertritt der Familie aus der bürgerlichen in die adlige Welt. Er sagt der Schiffsmaklerei und dem Fischhandel Valet, um den mehr ritterlichen Beruf des Soldaten zu wählen. Er begleitet als junger Mensch König Franz I. in den italienischen Krieg, aus dem er ein â leider uns nicht erhaltenes â Tagebuch und als ersehnteste Belohnung seiner treuen Dienste den Titel Sieur de Montaigne zurückbringt.
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